Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 3 (März) - ISSN 1619-2389
 
 KRISENMAGAZIN
   Zeitschrift für Krisenmanagement,
   Krisenkommunikation und Krisentraining
   ISSN 1867-7541
   www.krisenmagazin.de

"Es geht immer um das Team und darum, den Flug sicher nach Hause zu bringen"

Langenhangen - Die spektakuläre Bruchlandung einer südkoreanischen Passagiermaschine im Juli 2013 in San Francisco und Meldungen über giftige Gase in den Cockpits verschiedener Airbus-Maschinen im September 2012 - tatsächliche und vermeintliche Notlagen beim mit Abstand sichersten Verkehrsmittel der Welt sorgen regelmäßig für besondere Aufmerksamkeit. Im Gespräch mit dem Krisenmagazin erklärt Flugkapitän Eckhard Jann wie Bord-Crews auf kritische Situationen vorbereitet werden. Eckhard Jann ist Safety Pilot und Emergency Response Planning Manager der TUIfly GmbH in Langenhangen sowie Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Krisenmanagement e.V. (DGfKM).

Krisenmagazin: Im Vergleich mit Busfahrern, Fährkapitänen und Lokomotivführern sind Sie und Ihre Kollegen deutlich seltener mit Unfällen und Notsituationen konfrontiert. Wie stellen Sie sicher, dass sich das Kabinenpersonal und die Piloten nicht zu sehr in Sicherheit wiegen und auf Notlagen jederzeit reagieren können?

Eckhard Jann: Wir versuchen aus jedem noch so kleinen Vorfall unsere Lehren zu ziehen. In regelmäßigen Abständen veröffentlichen wir unser betriebsinternes Flugsicherheitsmagazin, die "Flight Safety Info". Dort berichten wir über weltweite Vorfälle und Unfälle, um daraus eine Handlungsempfehlung abzuleiten, wie wir solchen Situationen begegnen würden, bzw. was wir tun müssen, um diese zu verhindern.

Ein ganz wesentlicher Aspekt ist dabei unser vertrauliches Berichtssystem. Das ermöglicht unseren Mitarbeitern bereits kleinste Arbeitsfehler zu berichten, ohne dass jemand Angst haben muss, dafür disziplinarisch belangt zu werden. Im Übrigen entdecken Krankenhäuser diese Möglichkeit gerade für sich. Dort nennt sich das "CIRS", "Critical Incident Reporting System". Richtig umgesetzt, hilft es ungemein eine Sicherheitskultur zu entwickeln, die dafür sorgt, dass der Sicherheitsstandard auf hohem Niveau bleibt oder sogar noch besser wird.

Krisenmagazin: In einer Krisensituation muss das Zusammenspiel zwischen den Akteuren möglichst reibungslos klappen. Gerade in der Luftfahrt ist die Arbeit aber auf besonders viele Schultern verteilt - von der Kabinencrew über die Flugsicherung bis zum Technikteam. Wie gewährleisten Sie, dass kritische Informationen über verschiedene Schnittstellen hinweg schnell transportiert und überall richtig verstanden werden?

Eckhard Jann: Das ist völlig richtig. Kritische Situationen im Flugzeug sind hoch dynamisch und komplex. Die Krisenbewältigung kann nur funktionieren, wenn das Team gemeinsam an einem Strang zieht. Als Einzelkämpfer laufe ich Gefahr, egal ob im Krisenstab oder im Cockpit, eine Fehlentscheidung mit fatalen Konsequenzen zu treffen. Um das zu vermeiden, wurde bereits in den achtziger Jahren für alle Flugbesatzungen weltweit ein entsprechendes Training entwickelt. Dieses Training nennt sich "Crew Resource Management"-Training (CRM) und hat zum Ziel, wie der Name schon sagt, alle Ressourcen in der Besatzung oder darüber hinaus optimal zu nutzen, um eine Krise zu verhindern oder sie optimal zu bewältigen. Die jüngste Flugbegleiterin an Bord ist dann genauso gefragt, wie der erfahrene Flugkapitän. Wir wollen im Flugzeug eine Arbeitsatmosphäre schaffen, in der die junge Flugbegleiterin keine Angst hat, dem Kapitän wichtige Hinweise zu geben oder sogar auf Fehler hinzuweisen. Es geht immer um das Team, die Crew und darum den Flug sicher "nach Hause" zu bringen.

Krisenmagazin: Einige Fluggesellschaften haben im Zuge ihres Fehlermanagements das Duzen an Bord eingeführt, damit es allen Besatzungsmitgliedern über Hierarchieebenen hinweg leichter fällt, den Flugkapitän oder Purser auf Fehler hinzuweisen. Wie gelingt es, im Krisenfall den schmalen Grad zwischen Basisdemokratie auf der einen Seite und kurzen Entscheidungswegen auf der anderen Seite erfolgreich zu durchschreiten?

Eckhard Jann: Sicherlich trägt das CRM-Training ganz erheblich dazu bei. Der wesentliche Aspekt dabei ist allerdings nicht, ob ich geduzt werde oder ob ich mich siezen lasse. Viel wichtiger ist das gefühlte Hierarchiegefälle an Bord. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass jeder Mitarbeiter und Kollege respektvoll und wertschätzend behandelt wird, unabhängig davon ob man sich duzt oder siezt. Dieser Umgang führt dazu, dass es allen Beteiligten viel leichter fällt, Bedenken offen zu äußern. Als Flugkapitän oder Krisenstabsleiter versetzt es mich in die Lage, gemeinsam mit meinem Team schnelle Entscheidungen zu treffen und eine Krise erfolgreich zu bewältigen.

© 2013 Krisennavigator. Alle Rechte vorbehalten.
Stand der Informationen: 02. Dezember 2013.


Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
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www.krisennavigator.de | E-Mail: poststelle@ifk-kiel.de

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Langenhangen - Die spektakuläre Bruchlandung einer südkoreanischen Passagiermaschine im Juli 2013 in San Francisco und Meldungen über giftige Gase in den Cockpits verschiedener Airbus-Maschinen im September 2012 - tatsächliche und vermeintliche Notlagen beim mit Abstand sichersten Verkehrsmittel der Welt sorgen regelmäßig für besondere Aufmerksamkeit. Im Gespräch mit dem Krisenmagazin erklärt Flugkapitän Eckhard Jann wie Bord-Crews auf kritische Situationen vorbereitet werden. Eckhard Jann ist Safety Pilot und Emergency Response Planning Manager der TUIfly GmbH in Langenhangen sowie Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Krisenmanagement e.V. (DGfKM).

Krisenmagazin: Im Vergleich mit Busfahrern, Fährkapitänen und Lokomotivführern sind Sie und Ihre Kollegen deutlich seltener mit Unfällen und Notsituationen konfrontiert. Wie stellen Sie sicher, dass sich das Kabinenpersonal und die Piloten nicht zu sehr in Sicherheit wiegen und auf Notlagen jederzeit reagieren können?

Eckhard Jann: Wir versuchen aus jedem noch so kleinen Vorfall unsere Lehren zu ziehen. In regelmäßigen Abständen veröffentlichen wir unser betriebsinternes Flugsicherheitsmagazin, die "Flight Safety Info". Dort berichten wir über weltweite Vorfälle und Unfälle, um daraus eine Handlungsempfehlung abzuleiten, wie wir solchen Situationen begegnen würden, bzw. was wir tun müssen, um diese zu verhindern.

Ein ganz wesentlicher Aspekt ist dabei unser vertrauliches Berichtssystem. Das ermöglicht unseren Mitarbeitern bereits kleinste Arbeitsfehler zu berichten, ohne dass jemand Angst haben muss, dafür disziplinarisch belangt zu werden. Im Übrigen entdecken Krankenhäuser diese Möglichkeit gerade für sich. Dort nennt sich das "CIRS", "Critical Incident Reporting System". Richtig umgesetzt, hilft es ungemein eine Sicherheitskultur zu entwickeln, die dafür sorgt, dass der Sicherheitsstandard auf hohem Niveau bleibt oder sogar noch besser wird.

Krisenmagazin: In einer Krisensituation muss das Zusammenspiel zwischen den Akteuren möglichst reibungslos klappen. Gerade in der Luftfahrt ist die Arbeit aber auf besonders viele Schultern verteilt - von der Kabinencrew über die Flugsicherung bis zum Technikteam. Wie gewährleisten Sie, dass kritische Informationen über verschiedene Schnittstellen hinweg schnell transportiert und überall richtig verstanden werden?

Eckhard Jann: Das ist völlig richtig. Kritische Situationen im Flugzeug sind hoch dynamisch und komplex. Die Krisenbewältigung kann nur funktionieren, wenn das Team gemeinsam an einem Strang zieht. Als Einzelkämpfer laufe ich Gefahr, egal ob im Krisenstab oder im Cockpit, eine Fehlentscheidung mit fatalen Konsequenzen zu treffen. Um das zu vermeiden, wurde bereits in den achtziger Jahren für alle Flugbesatzungen weltweit ein entsprechendes Training entwickelt. Dieses Training nennt sich "Crew Resource Management"-Training (CRM) und hat zum Ziel, wie der Name schon sagt, alle Ressourcen in der Besatzung oder darüber hinaus optimal zu nutzen, um eine Krise zu verhindern oder sie optimal zu bewältigen. Die jüngste Flugbegleiterin an Bord ist dann genauso gefragt, wie der erfahrene Flugkapitän. Wir wollen im Flugzeug eine Arbeitsatmosphäre schaffen, in der die junge Flugbegleiterin keine Angst hat, dem Kapitän wichtige Hinweise zu geben oder sogar auf Fehler hinzuweisen. Es geht immer um das Team, die Crew und darum den Flug sicher "nach Hause" zu bringen.

Krisenmagazin: Einige Fluggesellschaften haben im Zuge ihres Fehlermanagements das Duzen an Bord eingeführt, damit es allen Besatzungsmitgliedern über Hierarchieebenen hinweg leichter fällt, den Flugkapitän oder Purser auf Fehler hinzuweisen. Wie gelingt es, im Krisenfall den schmalen Grad zwischen Basisdemokratie auf der einen Seite und kurzen Entscheidungswegen auf der anderen Seite erfolgreich zu durchschreiten?

Eckhard Jann: Sicherlich trägt das CRM-Training ganz erheblich dazu bei. Der wesentliche Aspekt dabei ist allerdings nicht, ob ich geduzt werde oder ob ich mich siezen lasse. Viel wichtiger ist das gefühlte Hierarchiegefälle an Bord. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass jeder Mitarbeiter und Kollege respektvoll und wertschätzend behandelt wird, unabhängig davon ob man sich duzt oder siezt. Dieser Umgang führt dazu, dass es allen Beteiligten viel leichter fällt, Bedenken offen zu äußern. Als Flugkapitän oder Krisenstabsleiter versetzt es mich in die Lage, gemeinsam mit meinem Team schnelle Entscheidungen zu treffen und eine Krise erfolgreich zu bewältigen.

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